Verantwortung in der Auslegung der Heiligen Schrift
Jeder gläubige Mensch trägt Verantwortung für die Auslegung und das Verständnis der biblischen Schriften. Doch für diejenigen, die sich berufen fühlen – oder es sich zur Aufgabe gemacht haben –, biblische Lehre weiterzugeben, wie es in meinem Fall ist, wiegt diese Verantwortung deutlich schwerer.
Eine persönliche Erkenntnis – ausgelöst durch Hesekiel
In meinem persönlichen Fall spielt auch meine Herkunft eine besondere Rolle. Diese Erkenntnis traf mich heute mit unerwarteter Klarheit, als ich begann, meine Auslegungsreihe erneut kritisch zu prüfen. Mir wurde die Frage gestellt, an welcher Stelle der Offenbarung wir uns gegenwärtig befinden. Diese Frage führte mich zurück zum Propheten Hesekiel – und brachte mich ins Nachdenken.
Der Wächter für ein verlorenes Volk?
Hesekiel, selbst ein Prophet des biblischen Südreichs im babylonischen Exil, wird vom HERRN zum „Wächter des Hauses Israel“ berufen – also zum Wächter über das Nordreich, das zu diesem Zeitpunkt längst als verschollen galt. Diese Berufung erschien mir zunächst widersprüchlich. Doch je länger ich darüber nachdachte, desto mehr erkannte ich: Es handelt sich nicht um einen Widerspruch, sondern vielmehr um eine prophetische, zukunftsgerichtete Anrede – eine geistliche Proklamation.

Martin Luther und die prophetische Mahnung
Diese Einsicht führte mich zu einer weiteren, tiefgreifenden Verbindung: Was hat meine deutsche Herkunft damit zu tun – und welche Verantwortung ergibt sich daraus? In diesem Zusammenhang erinnerte ich mich an Dr. Martin Luther. Er war nicht nur der prägendste Reformator seiner Zeit, sondern wurde von vielen Zeitgenossen auch als ein „Prophet der Deutschen“ gesehen.
Leider sind seine prophetischen Aussagen heute nur schwer zugänglich. Was jedoch erhalten geblieben ist, ist der bemerkenswerte Anhang seiner Bibelübersetzung von 1545. Darin ruft er den gläubigen Leser eindringlich zur regelmäßigen Prüfung und Bewahrung der Heiligen Schrift auf – insbesondere im Hinblick auf mögliche Veränderungen durch äußere Einflüsse.
Eine Verantwortung, die (fast) nur wir tragen können?
Solch eine ausdrückliche Mahnung findet sich in keiner anderen Bibelübersetzung. Auch in den heutigen Ausgaben der Lutherbibel fehlt dieser Abschnitt vollständig. So sind es letztlich nur deutschsprachige Leser, denen diese Aufforderung ursprünglich überliefert wurde – ein Umstand, der uns als Deutschsprachige in besonderer Weise zur Verantwortung ruft.
Die Bibel studieren – ein königlicher Auftrag
Die Bibel selbst ruft uns immer wieder dazu auf, die Schrift zu erforschen. Menschen in Führungspositionen – sinnbildlich als Könige beschrieben – werden sogar aufgefordert, Tag und Nacht in der Schrift zu lesen (vgl. Josua 1,8). Diese Mahnung gilt im Grundsatz jedem von uns – doch je mehr Einfluss ein Mensch auf andere hat, desto größer wird auch die Verantwortung für den Umgang mit Gottes Wort.
Wie sollen die Schafe die Stimme des Hirten erkennen?
Wenn also ein Prophet wie Hesekiel zum Wächter eines bereits zerstreuten Volkes berufen wird – eines Volkes, das später wieder gesammelt wird und Teil des Gottesvolkes sein soll –, dann verdeutlicht das auch unsere Aufgabe in der heutigen Zeit: die Heilige Schrift in ihrer ursprünglichen Aussage und Bedeutung zu bewahren.
Jesus sagte:
„Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir.“ (Johannes 10,27)
Doch wie sollen seine Schafe die Stimme ihres Hirten erkennen, wenn seine Worte verfälscht oder zerschnitten worden sind? Wie sollen die Verirrten zurückfinden, wenn niemand mehr bereit ist, über das Wort Gottes zu wachen?
Abseits des theologischen Mainstreams
Ich bin mir bewusst, dass meine Aussagen und Interpretationen für viele ungewohnt erscheinen – besonders, weil sie keiner akademisch-theologischen Schule entstammen, sondern sich eng an biblische Texte und historische Quellen anlehnen. Doch mein Anliegen ist es, die Schrift ernst zu nehmen und ausschließlich auf Grundlage der Bibel zu sprechen.
Eine ungeahnt große Verantwortung
Erst jetzt beginne ich zu erfassen, wie groß die Verantwortung ist, die mir als deutschsprachiger Christ zukommt.
Vielleicht ist es kein Zufall, dass wir in unserer Zeit eine massive Abkehr von den etablierten Kirchen erleben – ebenso wie eine wachsende Hinwendung zu anderen Religionen. Möglicherweise sehnen sich viele dieser „verirrten Schafe“ schlicht nach der Stimme des wahren Hirten.
Die Vielfalt der christlichen Denominationen – zahllose Richtungen und Lehrmeinungen – spricht nicht nur von einer tiefen Verunsicherung, sondern zugleich auch von einer anhaltenden Hoffnung: dass die wahre Stimme Gottes irgendwo noch zu hören ist.
Die Pflicht zum Bewahren – heute mehr denn je
Doch wenn in unserer Zeit Gottes Wort immer wieder verändert wird – etwa durch regelmäßig überarbeitete Textgrundlagen wie die des Nestle-Aland – dann wird es umso notwendiger, dass wir als Gläubige zur ursprünglichen Quelle zurückkehren. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, die Heilige Schrift – mindestens in der Form, wie sie zur Zeit der Reformation bestand – zu bewahren und zu schützen.
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